Die Christliche Arbeiterjugend (CAJ) Deutschland fordert massive Veränderungen in der Fleischindustrie. Unter dem Brennglas der Corona-Krise werden Missstände klarer, die es vorher auch schon gab. Gerade deshalb ist jetzt der Moment gekommen, in dem die Politik auf Bundes-, Landes- und Kommunaleben handeln muss. Mitten in unserem Land arbeiten Menschen unter unwürdigen Bedingungen, um eine durch niedrige Preise künstlich erzeugte hohe Nachfrage nach billigem Fleisch zu decken. Die Bundeskoordinatorin der CAJ, Carolin Moch fragt deshalb zurecht: „Wo bleibt da die von Gott gegebene Würde eines jeden Menschen? Wo bleibt unsere Verantwotung gegenüber der Schöpfung? Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben!“
„Wenn eine ganze Industrie allein durch die Ausbeutung von Menschen funktioniert, sind dringend weitreichende Veränderung in diesem unmenschlichen System nötig“, so die Vorsitzende der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) Deutschland, Andrea Karl. „Als Christ*innen nehmen wir die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Menschen nicht hin, sondern handeln“.
In der Fleischindustrie dienen Menschen als Produktionsmittel für Fleischerzeugnisse und leben und arbeiten dabei unter prekären Arbeitsbedingungen. Arbeiter*innen aus anderen Ländern werden ausgenutzt, was ein letztlich rassistisches Wertebild gegenüber dieser Menschen widerspiegelt. Die Tatsache, dass Arbeiter*innen aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen eine unwürdige Arbeit annehmen, wird in der Bevölkerung damit kommentiert, dass es für Die ja besser als Zuhause sei.
Unternehmen in der Fleischindustrie üben Macht über Arbeitnehmer*innen aus. Diese sind durch die Vertragsbedingungen stark prekären Lebenssituationen ausgesetzt, haben mangelnden Möglichkeiten sich selbst zu vertreten und haben weniger Zugang zu Wissen zum Beispiel über Rechte und Hygienemaßnahmen aufgrund der Nicht-Bereitstellung von Informationen in ihrer Sprache. Eine Folge der Situation ist, dass Arbeiter*innen in der Fleischindustrie sich aufgrund der prekären Arbeits- und Lebensumstände nur schlecht organisieren können. Das macht es auch für Organisationen wie Gewerkschaften und Verbände schwer, aktiv zu werden.
Unser Konsumsystem reproduziert die Macht der Fleischindustrie. Sie hat eine starke Lobby, sowie einen großen Einfluss im Handel etc. Diese Realität ließe sich durch weitgreifende Gesetze unterbinden, wie etwa dem Verbot von industrieller Schlachtung und Massentierhaltung oder auch einer Pflicht von Zusatzzahlungen bei internationalen Personalentsendungen (Entsenderichtlinie der EU). Dadurch könnte das Lohn- und Preisdumping in der Fleischwirtschaft verringert werden.
Die Politik billigt diese Macht, indem sie erforderliche Regelungen nicht schafft und die entsprechenden Kontrollinstanzen nicht mit ausreichen Ressourcen zur Überprüfung der bestehenden Regelungen ausstattet. Es dürfen nicht nur einzelne Regelungen geschaffen werden. Das System muss umfassend verändert werden.
Es ist scheinheilig, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung auf die einzelnen Konsument*innen abzuwälzen. Um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zu verändern, müssen wir an einem wirksamen Hebel ansetzen.
Die Christliche Arbeiterjugend Deutschland fordert Politiker*innen auf, zu handeln:
- Die Ausbeutung von Menschen durch Werkverträge muss beendet werden. Das gilt nicht nur für die Fleischindustrie, sondern für alle Bereiche, in denen Werkverträge im Kerngeschäft eingesetzt oder ausgenutzt werden. Das Werksvertragssystem darf nicht ausgenutzt werden, um arbeits- und tarifrechtliche Pflichten zu umgehen.
- Verkettungen von Subunternehmen dürfen nicht zulässig sein. Intransparente Subunternehmer*innenketten, wie in der Fleischindustrie üblich, müssen sofort unterbunden werden, um wirklich effiziente Kontrollen der Betriebe gewährleisten zu können.
- Kontrollen in den Fleischbetrieben müssen ausgeweitet und so gestaltet werden, dass sie wirklich zu Veränderungen beitragen. Dabei müssen Unternehmen Verantwortung übernehmen und für ihre Subunternehmen haftbar sein - sowohl hinsichtlich des Arbeitsschutzes als auch der im System dazugehörigen anderen Bereiche wie Wohnen und Transport.
- Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich über Regeln und Rechte zu informieren. Wer ausländische Arbeitskräfte einstellt, muss gewährleisten, dass diese in ihrer Muttersprache Zugang zu allen dafür erforderlichen Informationen haben. Nur so lässt sich Ausgrenzung und Entmündigung zuvorkommen und entgegenwirken.
- Von Seiten der Politik muss auch eine europäische Diskussion angeregt werden, da die Problematik nicht an Nationalgrenzen endet. Es müssen Regelungen geschaffen werden, die ein grenzüberschreitendes Leben und Wirtschaften nicht nur ermöglichen, sondern auch regulieren.
Der Mensch mit seiner unantastbaren Würde muss im Zentrum jedes politischen und wirtschaftlichen Handelns stehen. Gesetzgebung muss so gestaltet sein, dass die Ausbeutung von Zeit und Lebenskraft der Menschen nicht legal sein kann. Die Nationalität der Menschen darf dabei ebenso wenig eine Rolle spielen wie die Arbeitstätigkeit selbst. Vielmehr brauchen wir eine internationale Solidarität, die gleiche Arbeitsbedingungen zugunsten der Menschen ermöglicht und Leitmotiv des Systems ist.
CAJ Bundesleitung, im Mai 2020
Ergänzung vom 1.1.2021. Gemeinsam mit vielen anderen Akteuren haben wir Druck auf die Bundesregierung aufgebaut.
Das Arbeitsschutzkontrollgesetz ist zwischenzeitlich in Kraft getreten: